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Ein Mensch, zumeist nicht eingeplant und mehr
befürchtet als er ahnt,
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wird eines Tag’s mit Kopf und Ohren und was man sonst
noch braucht, geboren. Der Mensch, zunächst in seiner Wiege, brüllt, dass er was zu trinken kriege, worauf die Mutter, sanft und mild, ihn an die Quellen legt und stillt.
So wächst der Mensch, blüht und gedeiht, es kommt der erste Zahn der Zeit, Der erste Bart, der erste Zopf, je nach Geschlecht an Kinn und Kopf, der Stimmbruch kommt, die Pubertät,
und – wie’s im Leben halt so geht, seit unser Herr die Erde schuf - es kommt der Mensch in den Beruf
Berufe gibt’s bekanntlich viele, der eine nimmt sich den zum Ziele,
ein anderer schlüpft in and’re Schuhe, ein Dritter will nur Geld und Ruhe.
Ich aber will mich hier mit jenen befassen, die nach Leid und Tränen und allerfrühestens im vierten
Decennium dann promovierten zum Ruhme ihrer Fakultät: in diesem Fall zum Doktor med.
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In Sonderheit geht es um die
Adepten der Anästhesie: Zu ihrem Werdegang und Werken will ich so einiges bemerken.
Hat so ein Bürger dieser Erde beschlossen, dass er etwas werde, so wird er, was zwar selten ist,
zuweilen auch Anästhesist: Läßt also alle Hoffnung fahren, sich die Gesundheit zu bewahren, verzichtet, was schon schwerer fällt, auf Freizeit, Hab und Gut und Geld,
sagt sich von seinen Freunden los, reißt sich aus der Familie Schoß, verlässt die Kirche und Partei, auf dass er nur noch eines sei: Von Kopf bis Fuß in jeder Pose
ein wahrer Jünger der Narkose, ein Mensch gewillt, ein Mensch zu bleiben und dem Berufsziel: zu betäuben. Der Mensch begibt in solchem Fall sich schleunigst an ein Hospital
und dort, zwecks längerer Verweilung, an die Anästhesie - Abteilung.
Hier wird, wenn die Frisur gefällt, der gute Mensch auch eingestellt und darf sich fürder – kaum im Rennen –
Narkose-Assistenzarzt nennen, steht dann mit seiner Morgenzeitung in irgendeiner Vorbereitung, umwölkt vom Dampfe der Narkose und meistens mit randvoller Hose,
denn – dieses ist der Lauf der Welt - er hatt’ sich’s anders vorgestellt: Hochwissenschaftlich, biochemisch, auf alle Fälle akademisch, zumindest etwas medizinisch
und stellt nun fest, es ist rein klinisch, was man ihm da so abverlangt.
Der Mensch, er wird labil und schwankt, ob er bei des Berufes Wahl und Möglichkeiten ohne Zahl
sich nicht vielleicht vergriffen hat. Und dennoch schreitet er zur Tat. Zunächst punktiert er eine Vene und landet in der Bizeps-Sehne,
Auch jeden weiteren Versuch
dankt der Patient mit einem Fluch. Meint es das Schicksal mit ihm gut, so kommt beim vierten Male Blut, zumeist im Strahl und ziemlich hell: Die Nadel liegt jetzt arteriell.
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Schon blickt die Umwelt bitterbös’,
da hilft der Zufall ihm venös. worauf der Mensch, jetzt hochbeglückt, stolz auf den Spritzenstempel drückt, womit sich, was er greifbar hat, zumeistens ein Barbiturat,
nun, lege artis injiziert, in den Patient hineinverliert.
Zwar hatte man ihm beigebracht, daß man so etwas langsam macht, doch unser Mensch, jetzt voll in Fahrt,
hat sich solch Wissen nicht bewahrt und spritzt mit Eifer und Genuß 500 Milligramm im Schuß.
Sofort verändert sich das Bild: Sein Opfer, das erst bös und wild
-weil mehrfach para injiziert und solchermaßen irritiert, doch fest gewillt, zu überleben und sich nach Hause zu begeben vor ihm auf seiner Trage lag, veränderte sich mit einem Schlag
und wird, egal ob Mann, ob Frau erst ruhig und dann dunkelblau. Der Mensch, nicht trauend solchem Frieden, hält den Patienten für verschieden,
und tief beeindruckt solchermaßen
denkt er, den Tatort zu verlassen.
Doch weit gefehlt: Ein herbes Wort des Chefs hält ihn am Arbeitsort, er kann sich winden wie er will; die Schwester reicht das Succinyl.
Der Mensch, schon reichlich konsterniert, spritzt und hat damit nun relaxiert.
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Schon wieder ändert sich die Szene:
das Succi, jetzo in der Vene, und dort gepaart mit dem Expander, haut den Patienten umeinander. Es blickt der Mensch, vor Schrecken bleich, auf den Patient. Der wird erst weich
und hört im weiteren Verlauf So peu apnoe zu schnaufen auf. Dem Mensch verschlägt’s das letzte Wort, er steht vor seinem ersten Mord Und flüchtet sich, so gut es geht,
in Anteilnahme und Gebet.
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Doch nein, mit Hilfe von zwei Schläuchen
und einer Maske, einer weichen, und auch vermittels einer Blase, drückt man nun die Narkosegase direktemang durch Nas’ und Mund hinab in des Patienten Schlund.
Die Lunge bläht sich und der Bauch, das Volumeter dreht sich auch und pfeifend flüchtet, was zuviel, durch’s blanke Überströmventil.
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Patient und Szene sind entspannt
– da fühlt der Mensch in seiner Hand, weil es die Schwester dahin schob, urplötzlich ein Laryngoskop.
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Der Mensch, der dieses noch nicht kennt,
beäugt verwirrt das Instrument und hegt voll Argwohn den Verdacht, dass man auch damit etwas macht. Und in der Tat: Er wird belehrt, wie man im weiteren verfährt
und was man nun von ihm erwartet. Der Mensch, so informiert, er startet mit einem unterdrückten Fluch jetzt den Intubations-Versuch. Mit Angst und wenig Zuversicht
und nur, weil dieses seine Pflicht bestimmt aus keinem anderen Grund zwängt er den Spatel in den Mund.
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Dem Chef, der zusieht, quillt die Träne:
Schon liegen 1, 2, 3 , 4 Zähne fein säuberlich herausgebrochen auf des Patienten Brustwandknochen. Leicht transpirierend, aber stumm, steht man um diesen Fall herum,
und auch die Schwester legt die nackten Tatsachen schweigend zu den Akten.
Der Mensch nun gänzlich enerviert, hat mählich weiter intubiert und ist, den Göttern sei’s gedankt,
am Kehlkopfdeckel angelangt.
Hier aber ist die Welt zu Ende: Dass er die Rima glottis fände scheint ihm, nach allem, unwahrscheinlich.
Er untersucht zwar hochnotpeinlich
genau die ihm so fremde Gegend, und er empfindet es erregend, wie sich das trübe Spatellicht so an der Epiglottis bricht, doch seine Hoffnung ist im Schwinden, die Atemröhre aufzufinden.
Doch halt, jetzt sieht er so ein Loch, und hofft, am Ende ist sie’s doch, und schiebt den Tubus, o Verdruß, schnurstracks in den Oesophagus. eindeutig paratracheal.
Das Rohr liegt intratracheal, wird rasch geblockt und festgepappt, mit einem Wort: Es hat geklappt; was jetzt noch zu erfolgen hat, das übernimmt der Spiromat.
Der Mensch, nun auf Applaus erpicht, wird tief enttäuscht, denn Vater spricht:
„Mein lieber Herr Kollege, Sie -das steht schon fest –
Sie lernen’s nie“,
worauf sich unser Mensch und Erdenbürger entschließt Chirurg zu werden.
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So mancher hat es schon probiert,
der heute nur noch operiert weil operieren leichter ist - Dies schwört euch
Ein Anästhesist
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